Guatemala Sur

Gute Aussichten - Nach dem unvergesslichen Erlebnis in der abgelegenen Gegend um Nimlaha’kok (siehe letzter Bericht) folgen weitere Höhepunkte. Ganz spontan zeichnet sich ein Besuch meiner Familie in Guatemala ab! Die Wohnung meiner Eltern wird renoviert, meine Schwester kann spontan frei nehmen und mein Bruder und seine Freundin stellen ihr Reiseprogramm um - so steht einem Wiedersehen nach über einem Jahr nichts mehr im Wege.
Wir verlassen die kühle Region um Cobàn und fahren via der «Mutter aller Schotterstrassen» Richtung Berge. Ein gewaltiger Felssturz begrub vor ein paar Jahren die Strasse unter sich und sie wurde nur notdürftig wieder in Stand gesetzt. In der Regenzeit sollen die Bedingungen hier so schlecht sein, dass die Busfahrer die Durchfahrt verweigern und die Passagiere durch den Schlamm auf die andere Seite waten müssen. Das muss etwas heissen, sind doch die hiesigen Fahrer nicht eben zimperlich…
Als wir die Strecke fahren ist da aber nicht viel mehr, als eine gewöhnliche Schüttelpiste, wie wir sie schon zu hunderten gefahren sind. Aber die Aussichten sind immer wieder spektakulär, wenn auch wir bedauernd feststellen, dass die Landschaften richtig «verbraucht» aussehen. Jeder Zentimeter wurde schon einmal umgegraben, Brandrodung ist an der Tagesordnung.

Stimmung im Land - Bald sind Wahlen in Guatemala. Dies ist an den aufgehängten Plakaten, unschwer zu erkennen. Weiter sind aber auch viele Steine, Telefonmasten, Leitplanken und gar Häuser in den entsprechenden Partei-Farben gestrichen - was eigentlich verboten wäre… Viele Menschen erzählen uns, dass sie wenig Hoffnung haben, dass sich in ihrem Land etwas grundsätzlich ändert, egal wer denn nun gewählt wird. Zu oft wurden sie schon enttäuscht und mit leeren Versprechungen hingehalten. Zu oft schon ginge es nur darum die eigene Macht auszubauen.
Wie sehr wünschen wir dem Land, dass sich die Dinge zum Wohle der Ärmsten verändern! Dass ihr Fleiss nicht nur das tägliche Überleben sichert, sondern ihnen zumindest einen bescheidenen Wohlstand bringt. Sie verdienen es!

Traumstrasse? - In Quattro Caminos kreuzen wir ein erstes Mal die berühmte «Panamericana». Dem Bild der ultimativen Traumstrasse entspricht sie definitiv nicht. Der Ort, durch den sie führt ist ein rauer, überfüllt mit stinkenden Bussen, Taxis, Tuktuks. In der Umgebung einen Schlafplatz zu finden scheint aussichtslos. Die Zeit rinnt uns davon und als es dunkel wird, suchen wir noch immer. Die starken LED-Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge blenden uns und es gilt auch alle Tiere, Menschen und Löcher am Strassenrand zu sehen. Eine anstrengende Fahrt. Irgendwann werden wir erhöht und können uns in den sicheren Hinterhof eines Hotels stellen. Puuh!

Mittendrin - Früh sind wir am nächsten Morgen auf den Beinen. Unser Ziel ist das im Hochland gelegene San Francisco el Alto. Hier findet immer Freitags einer der grössten Indiomärkte Guatemalas statt. Wir sind weit und breit die einzigen Touristen und versuchen uns gegen die Einheimischen durchzusetzen. Trotz ihrer meist bescheidenen Körpergrösse rempeln und drängeln sie nämlich, was das Zeug hält. Dass wir gut zwei Köpfe grösser sind hindert sie nicht. Somit sind wir mittendrin und können ganz in das Erlebnis «Markt» eintauchen! Berge voller farbiger Stoffe türmen sich auf, sackweise Mais ist zu kaufen, der beste Kaffee wird von Hand abgewogen, pralle Tomaten glänzen um die Wette und in den raucherfüllten Unterständen werden die überlebensnotwendigen Maistortillas gebraten. Die erstandenen Waren werden von den Frauen grazil auf dem Kopf getragen, ganz egal wie gross das Pack ist. Der interessanteste Bereich, wenn auch teilweise beelendenste, ist für uns der Tiermarkt. Auf einer staubigen Ebene wechseln für ein paar Queztales Kühe, Rinder, Schafe, Schweine, Hühner, Enten, Hunde, Katzen und vieles mehr ihren Besitzer. Nicht immer ganz freiwillig, wie wir vor allem bei den quietschenden Schweinen mitbekommen…
Zurück nehmen wir den berühmt-berüchtigten «Chickenbus». Ausgemusterte Schulbusse aus den USA finden hier ein zweites Leben. Bunt bemalt und aufgemotzt fahren sie in einem Höllentempo durch die Gegend. Die Musik ist ohrenbetäubend, Hupen werden lautstark eingesetzt und auf dem Trittbrett fährt ein Gehilfe mit, der die Leute möglichst schnell in und aus dem Bus befördert. Zeit ist Geld! Auch klettert er in Windeseile aufs Dach und verstaut dort, alles, was man mitnehmen möchte. Von Möbeln über Schafe. Geht nicht, gibt’s nicht!
Was für eine Fahrt! Wir schliessen mehr als einmal die Augen… und kommen irgendwann an, um mit zittrigen Knien auszusteigen.

Wiedersehen I - Nach dem tollen Markterlebnis hält uns nichts mehr in der Region und wir steuern «Xela» (Quetzaltenango) an. Hier können wir mitten auf dem Hauptplatz meinen Bruder und seine Freundin in die Arme schliessen. Ein wunderschöner Moment! Wir haben uns mehr als genug zu erzählen und stossen mit erstklassigem «Flor de Caña» aus Nicaragua auf unsere gemeinsame Reisezeit an. Es wird ein langer Abend;)
In den nächsten Tagen erkunden wir die Stadt, essen authentisches indisches Essen und geniessen die gemeinsame Zeit. Schnell finden wir unser Stammcafé, «El Cuartito» und Zora parken wir sicher im Innenhof eines Hotels. Was für uns bedeutet, dass wir in einem richtigen Bett schlafen können. Herrlich ist’s!
In Momostenango besuchen wir einen weiteren Markt und können uns auch hier kaum sattsehen. Die etwas ausserhalb liegenden Steinformationen hingegen sind nicht allzu spektakulär.

Höhenrausch - An einem sonnigen Tag erklimme ich mit Yves und Lorena den Vulkan Santa Maria. Bereits um sechs Uhr morgens sind wir unterwegs und machen uns an den schweisstreibenden Aufstieg. Etwas verunsichert sind wir über all die schlafenden Männer, die teilweise mitten auf dem Weg liegen. Dass sie uns fragen, wie gross unsere Gruppe ist, trägt nicht eben zur Beruhigung bei und die Hand wandert automatisch in Richtung des mitgeführten Bärensprays. Doch nichts passiert. Ausser Puste erreiche ich nach vielen Wendungen den Gipfel auf über 4000 Meter über Meer, wobei es für meine sportlichen Begleiter bestenfalls ein «Einwärmen» war. Die Sicht auf den noch aktiven Vulkan Santiaguito bleibt uns leider verwehrt. Aber die gigantische Wolkendecke unter uns und die lautstark wehklagenden Betenden um uns, sorgen dennoch für Gänsehaut. Erst hier wird uns richtig bewusst, dass dies ein heiliger Ort für die Maya ist und dass für die Erreichung dieses Ortes so einiges in Kauf genommen wird. Auch ein Marsch, der weit über die eigenen Grenzen hinausführt.

Wiedersehen II - Nach einem letzten Besuch in unserem Stammcafé quetschen wir uns zu viert und mit Gepäck in Zora und düsen nach Antigua. Hier steht das Wiedersehen mit meinen Eltern an. Wir quartieren uns gratis in den Ruinen der Touristenpolizei ein, während unsere Begleiter in einem B’n’B unter kommen. Gegen den Abend ist es soweit und ich kann in einer Hotellobby meine Eltern in die Arme schliessen. Soo schön!
Zusammen erkunden wir in den nächsten Tagen die Bilderbuchstadt Antigua. Zwar hat sie mit dem Rest von Guatemala nur wenig gemein. Aber es tut gut, einfach ein bisschen zu bummeln, in schönen Innenhöfen Kaffee zu trinken und nicht selber kochen zu müssen. Doch das Beste ist natürlich das Zusammensein mit unseren Liebsten!

Wiedersehen III - Eine abenteuerliche Fahrt später, wo wir sogar die Hilfe der Polizei in Anspruch genommen haben (die Strassenführung aus einem der Ort war so kompliziert, dass die Polizei uns anbot voraus zu fahren. Wir nahmen das Angebot an und sparten viel Zeit), erreichen wir den Lago Atitlan. In San Antonio Palopo haben wir ein grosses Haus gemietet für die gemeinsame Zeit. Der Anblick des Sees verzaubert uns. Doch nicht alles ist Gold, was glänzt. Das sollen wir noch erfahren müssen.
Erst wagen wir uns mitten durch Guatemala City. Eine fehlt nämlich noch im Bunde - meine Schwester. Allen Schreckensmeldung zum Trotz erreichen wir den Flughafen sicher. Ihn zu finden wäre ohne elektronische Karten allerdings ein Ding der Unmöglichkeit. Ein einziges Schild nur haben wir gesehen. Glücklich fallen sich auch Kathrin und ich in die Arme.

In traditionellem Gewand - Es werden gemütliche Tage am See. Wir kochen viel, spielen Ping Pong und machen einen Bootsausflug mit Wanderung. Wir besuchen das touristische Panajachel und den authentischen Markt in Sololà.
Ein besonderes Highlight ist die Einladung an eine Hochzeit. Miguel, arbeitet seit über dreissig Jahren auf dem Grundstück, wo das gemietete Haus steht und lädt uns an die Hochzeit seines Sohnes Santos’ ein. Verwandte von ihm kleiden uns in letzter Minute in die traditionellen, blauen Trachten und flechten uns die typischen Bänder ins Haar. Danach klettern wir in den offenen Pick-up und brausen bei strömendem Regen zur Kirche. Wir kichern mit den einheimischen Frauen um die Wette und versuchen uns festzuhalten. Rechtzeitig kommen wir an und sehen die Braut in die Kirche einziehen.

Schattenseite - So schön der Anblick auf den See und die dramatischen Abendstimmungen auch ist, bald merken wir, wie verschmutzt der Lago Atitlan ist. Pestizide und das Abwasser der umliegenden Dörfer, in denen der Tourismus teilweise boomt, fliessen ungehindert in den Vulkansee. Seit Jahren steigt der Wasserstand.
Alle nacheinander werden wir krank und bei einigen dauern die Beschwerden noch immer an. Der hartnäckige Durchfall, die Appetitlosigkeit, das Gefühl der Schlappheit. Auch viele unserer Reisefreunde erwischte es an ebendiesem Ort, auch sie waren zuvor so gut wie nie krank. So sind wir nach der Familienzeit zwar sehr beglückt, aber leider nicht wirklich erholter als zuvor…
Vielen herzlichen Dank Mami, Papi, Yves, Kathrin und Lorena für die wunderbare Zeit. Dass ihr all die Strapazen auf euch genommen habt und den Schritt ins unbekannte Guatemala gewagt habt!


Ausklang - Wir bleiben noch etwas am See, wechseln aber den Ort. In San Marcos hat sich der Franzose Pierre ein hübsches Refugium geschaffen und lässt auch andere daran teilhaben. «Overlander» sind genauso willkommen wie Feriengäste, die sich ein Cabaña mieten. Wir dürfen die Gemeinschafts-Palapas mit Liegebett und Hängematte auch benützen. Zum Glück, denn bei unserem Besuch regnet es fast immer. Wir sind somit meist in unserem «Häuschen» anzutreffen und geniessen den Blick auf den See noch von einem anderen Winkel. Hier sind die Vulkane besonders nah.
Das schlechte Wetter lässt uns irgendwann weiterziehen. Noch einmal legen wir einen Stopp in Antigua ein, bevor das nächste Land wartet. El Salvador!

Ist es beim Lesen spürbar? In Guatemala hat es uns besonders gefallen! Die indigene Kultur wird hier gelebt, die Menschen sind traditionell gekleidet. Trotz aller Armut und dem harten Überleben empfanden wir die Menschen in den meisten Regionen als sehr herzlich. Wir sind glücklich, dass wir mit dem Besuch der Schule und der Teilnahme an der Hochzeit ein wenig hinter die Fassaden blicken konnten und können uns gut vorstellen eines Tages hierhin zurück zu kommen. Hasta luego Guatemala!

Kramer Marcel

2015-07-20 09:10:32

Haben eben Fotos geguckt so schön, farbenprächtig und eindrucksvoll! Übermorgen fliegen wir nach Hause - dann brauchen wir Erholung!!! Ganz liebe Grüsse Paps, Olga und Nikita

Rene Mehmann

2015-07-20 09:13:36

Aloha Weltenbummler
Welch schöner Bericht, welch tolle Fotos und Stimmungsbilder. Es war wirklich eine grosse Freude, Euch nach einem Jahr Reise, wohlbehalten in die Arme zu schliessen. Zeit mit Euch am Lago Attitlan zu verbringen war ein Privileg und wir sind dankbar für diese schöne Zeit. Speziell ist es auch, sich als Akteur in Eurem Bericht wiederzufinden und Erinnerungen aufzufrischen. Der Besuch in Guatemala hat uns ebenfalls sehr gut gefallen. Einige Vorurteile konnten wir korrigieren.
Das Positive bleibt in bester Erinnerung, die E-Koli Bakterien werden wir sicher wieder los. Yves bringt Euch demnächst auch noch ein paar Dosen Bio-Florin. Damit sollte ihr für die nächsten Etappen bestens gerüstet sein. Herzlichen Dank für all die liebenswürdigen Beiträge, die ihr zu unserem Wohl beigesteuert habt. Wir haben die Zeit mit Euch sehr genossen. Merci vehlmohl.
Rene Mehmann/Papi

Lisbeth und Leo

2015-07-20 14:05:56

Wow ...diese farbenprächtige Fotos, fantastisch! Auch der Bericht ist wieder sehr interessant .
So schön, dass ihr mit der Familie eine kurze Zeit das Schöne teilen konnten.
Werden wir uns wohl auch in Kolumbien treffen und ein paar Tage gemeinsam verbringen können?
Würde uns sehr freuen! Cordiales saludos - Lisbeth und Leo

Chrege

2015-08-04 20:28:00

Hallo Ehr 2!
Danke för de tolli Brecht! Wie emmer lese ich die met u vell Freud, Neugier ond mängisch sogar met es paar Trändli die Auge....
Tuet einfach guet zwösse es goht Eui soweit gute
Knuddel Chrege


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